Boykott gegen die Einführung der Visumspflicht

Der Bundesvorstand der Türkischen Gemeinde in Deutschland hat am Wochenende getagt.

Es standen viele Themen auf der Tagesordnung, unter anderem Aktionsfor-men zum ‘Europäischen Jahr gegen Rassismus’, ein Antidiskriminierungsgesetz, der Gesetzentwurf zur erleichterten Einbürgerung. Die TGD hat sich aber insbeson-dere intensiv mit der am 15. Januar 1997 vom Bundeskabinett beschlossenen Vi-sum- sowie der Aufenthaltsgenehmigungspflicht für ausländische Kinder und Ju-gendliche unter 16. Jahren auseinandergesetzt und dazu folgendes festgestellt: Für die Türkische Gemeinde in Deutschland ist es nicht hinnehmbar, daß im Jahr 1997, das zum Europäischen Jahr gegen Rassismus erklärt wurde, eine Verordnung erlassen wird, die das Leben hunderttausender Kinder und Jugendlicher aus der Türkei, Marokko, Ex-Jugoslawien und Tunesien und deren Familien unnötig er-schwert. Anstatt Maßnahmen für die allseits gewollte Integration der hier dauerhaft lebenden Nichtdeutschen zu ergreifen, wird mit dieser Verordnung der Integration erneut ein herber Schlag versetzt. Wir betrachten dies als eine neue Form von Aus-grenzung und Diskriminierung.

Mit dieser Maßnahme sollte laut Kanther die mißbräuchliche Einreise ‘unbegleiteter Kinder und Jugendlicher unter 16 Jahren’ verhindert werden, die häufig als Drogenkuriere und -dealer illegal nach Deutschland kommen.

Dieses Problem ist auch uns bekannt, wird aber durch die Einführung einer Visums-pflicht für diesen Personenkreis ganz gewiß nicht verhindert werden. Die neue Ver-ordnung trifft also nicht die eigentliche Zielgruppe, Leidtragende sind größtenteils die in Deutschland geborenen Kinder der Einwanderer, die mit der Drogenproblematik nichts zu tun haben. Zur Verhinderung einer mißbräuchlichen Einreise hätte es genügt, für unbegleitet einreisende Kinder und Jugendliche eine Bescheini-gung über den legalen Aufenthalt der Eltern oder eines Elternteils in Deutsch-land zu verlangen.

Die TGD wird mit einer Reihe von Aktionen den Protest gegen diese Verordnung öffentlich machen, um zu verhindern, daß sie durch Zustimmung des Bundesrats Gesetzeskraft erlangt:

  • Am 27. Februar werden alle türkischen Kinder aufgerufen, nicht zur Schule zu ge-hen. Wir werden die Schulen bitten, die türkischen Kinder an diesem Tag zu ent-schuldigen und möglichst über diese Themen im Unterricht zu diskutieren. An die-sem Tag sollen die Eltern mit ihren Kindern vor den Ministerien, Senatsverwaltun-gen, Bezirksämtern oder Ausländerbehörden zum gemeinsamen Protest zusam-menkommen.
  • Wir planen in den nächsten Wochen Gesprächsforen mit den Verantwortlichen und Politikern in verschiedenen Bundesländern.
  • Wir werden diese Verordnung zum Thema von Gesprächen mit Parteien, Gewerk-schaften, Wohlfahrtsverbänden und Kirchen machen.
  • Wir wollen hierzu auch Gespräche mit Bundesinnenminister Kanther sowie Außenminister Kinkel führen.
  • Auf der rechtlichen Ebene werden wir prüfen lassen, ob diese Verordnung gegen GG Art. 6/1, das Haagener Minderjährigenschutzabkommen und das Assoziierungsabkommen zwischen der Türkei und Deutschland verstößt.

Mit diesen und weiteren Aktionen wollen wir die deutsche und die türkische Öffent-lichkeit informieren und dafür werben, die Verordnung zu Fall zu bringen.

Prof. Dr. Hakký Keskin Bundesvorsitzender

Emine Demirbüken Pressesprecherin