Zu dem sog. Minderheitenschutz im Grundgesetz erklärt der Sprecher für Ausländerfragen der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Hakký Keskin:
Die ›Gemeinsame Verfassungskommission‹ zur Änderung des Grundgesetzes von Bundestag und Bundesrat hat am 28. Oktober 1993 einstimmig eine interfraktionelle Vereinbarung getroffen. Nach den Empfehlungen dieser Kommission sollen drei Staatsziele neu in die Verfassung aufgenommen werden:
1. Die Förderung der Gleichberechtigung der Frau nebst der Beseitigung bestehender Benachteiligungen.
2. Der Schutz der natürlichen Grundlagen der Menschheit.
3. Die Achtung der Identität der ethnischen, kulturellen und sprachlichen Minderheiten.
Die Sprecher der CDU/CSU machten in einer ersten Debatte über diese Empfehlungen der Verfassungskommission im Bundestag am 4. Februar 1994 deutlich, daß sie die Vereinbarung der interfraktionellen Kommission ablehnen werden.
In dieser auch von den Mitgliedern der Union getragenen Vereinbarung heißt es wörtlich: ‘Der Staat achtet die Identität der ethnischen, kulturellen und sprachlichen Minderheiten.’
Der Vorschlag der SPD für die ›Gemeinsame Kommission‹ lautete hingegen: ‘Der Staat achtet die Identität der ethnischen, kulturellen und sprachlichen Minderheiten. Er schützt und fördert Volksgruppen und nationale Minderheiten deutscher Staatsangehörigkeit.’ So hätte dieses Staatsziel in der Tat formuliert werden müssen. Um aber den erforderlichen Konsens gerade mit den Mitgliedern von CDU und CSU in der Kommission herzustellen, wurde diese sehr passive Form gewählt. Um so mehr ist es verwunderlich, wenn gerade die CDU/CSU-Fraktion selbst diese Formulierung nicht mittragen will.
Der Schutz und die Förderung der Identität der ethnisch-kulturellen Minderheiten entspricht nicht nur den auch von Deutschland unterzeichneten Vereinbarungen der KSZE, diese Schutzwürdigkeit wurde bereits vom Deutschen Bundestag am 19. Juni 1991 einstimmig festgestellt.
Deutschland kann und darf nicht in anderen Ländern für den Schutz und die Förderung der Identität von Minderheiten eintreten, dieses Recht aber den ethnischen Minderheiten im eigenen Lande verweigern. Mit dieser Verweigerungspolitik und -strategie gegen durchaus berechtigte Forderungen der Einwandererbevölkerung in Deutschland, ob beim Kommunalwahlrecht, bei der Doppelstaatsbürgerschaft oder wie jetzt beim Minderheitenschutz, spielt die CDU/CSU nicht nur mit der eigenen sondern auch mit der internationalen Glaubwürdigkeit Deutschlands.