Der Podolski-Effekt

EM-Halbfinale spaltet viele Türken in Deutschland - Bundesregierung ruft zu friedlichem Feiern auf

    • Von ddp-Korrespondentin Ariane Breyer–

Vor dem EM-Halbfinale am Mittwoch hoffen Politiker auf ein friedliches Fußballfest von Deutschen und Türken. Prominenten Türkischstämmigen in Deutschland fällt derweil die Entscheidung für eines der beiden Teams – Deutschland oder Türkei – schwer.

Berlin (ddp). Vor dem EM-Halbfinale am Mittwoch hoffen Politiker auf ein friedliches Fußballfest von Deutschen und Türken. Prominenten Türkischstämmigen in Deutschland fällt derweil die Entscheidung für eines der beiden Teams – Deutschland oder Türkei – schwer.

Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht das EM-Halbfinale über den Sport hinaus als ‘gemeinsames Spiel für die deutsch-türkische Freundschaft’, und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hofft, ‘dass keiner den Versuch unternimmt, ein fröhliches Fußballfest zu stören.’ Maria Böhmer, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, wünscht sich ein ‘Fest der Freundschaft’. Grund zum Feiern gebe es allemal: ‘Wenn Deutschland gewinnt, wird gefeiert – wenn die Türkei gewinnt wird gefeiert, und die Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern geht auf jeden Fall als Gewinnerin vom Platz.’

2:1-Sieg für die Türken ist der Tipp des Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat. ‘Wenn die Türkei wieder mit Herz und Vollblut spielt, kann sie das Finale erreichen.’ In diesem Fall erwarte er, dass die deutschen Fans im Endspiel das türkische Team unterstützen, als ‘wichtiges Zeichen des Respekts und der Akzeptanz’. Das gelte natürlich auch umgekehrt.

Der türkischstämmige SPD-Europaabgeordnete Vural Öger ist innerlich gespalten. ‘Mein Verstand sagt, dass die Deutschen gewinnen, weil sie besser sind. Aber mein Herz wünscht sich einen Sieg der Türken.’ Die besondere Zerrissenheit der Deutschtürken in Fußballfragen nennt Öger das ‘Podolski-Syndrom’. Der in Polen geborene deutsche Fußballer Lukas Podolski habe sich auch nicht wirklich freuen können, als er für Deutschland das Tor gegen sein Geburtsland geschossen hat.

‘Die Türken gewinnen mit einem Tor mehr’, glaubt der Linke-Bundestagsabgeordnete Hakki Keskin, die seien motivierter. Im Prinzip drohe Deutschlandtürken bei dem Spiel am Mittwoch aber keine Enttäuschung. ‘Wir sind sowohl für die Türkei als unserem Herkunftsland, als auch für Deutschland als unserer neuen Heimat.’ Die Gerechtigkeit jedoch fordere einen türkischen Sieg, die Deutschen waren schließlich schon Europameister.

Auf Deutschland als Sieger tippt Lale Akgün, die Islambeauftragte der SPD-Fraktion, wegen der vielen verletzten und gesperrten Spieler der Türkei. Aber im Grunde ist ihr der Ausgang egal. ‘Ich freue mich, wenn Deutschland Fußball-Europameister wird, aber ich freue mich noch mehr, wenn Deutschland Exportweltmeister wird.’

Der CDU-Politiker Bülent Arslan findet, ‘dass wir so und so im Finale sind’. Er sei ‘gefühlsmäßig hin und hergerissen zwischen beiden Mannschaften’, sagt Arslan, der sich als Spielausgang eine Annäherung zwischen Deutschen und Türken wünscht.

Der Anwärter auf den Grünen-Vorsitz, Cem Özdemir, drückt Deutschland die Daumen. ‘Die Jungs und das Trainerteam sind sympathisch’, sagt der Europa-Abgeordnete. Aber einen Makel habe die deutsche Mannschaft: Es gibt nicht einen einzigen türkischstämmigen Spieler. ‘Das kann nicht sein’, findet Özdemir. Fußball sei schließlich auch ein Spiegel der Gesellschaft.

Der bayerisch-türkische Kabarettist Django Asül prognostiziert einen 2:0-Sieg der Deutschen. ‘Deutschland spielt in Bestbesetzung und die Türkei hat neun Ausfälle. Da sind aus meiner Sicht die Fronten leider klar’, sagt Asül. Aber wenn die Türkei doch Europameister werde, sei für ihn eines klar: ‘Dann hätte Deutschland das Halbfinale verloren.’

Adnan Maral, Hauptdarsteller der ARD-Serie ‘Türkisch für Anfänger’, findet es zweitrangig, wer gewinnt. ‘Ich kann feiern, so oder so.’ Die Deutschen spielten derzeit richtig guten Fußball, die Türken hätten ein herausragend dramatisches Spiel gezeigt. Bei solchen Entscheidungsproblemen greife die Devise: ‘Möge der bessere gewinnen.’

(Quellen: Steinmeier auf N24; Kolat auf ddp-Anfrage; Öger, Keskin, Akgün, Arslan, Asül und Maral auf ddp-Anfrage; Özdemir in der FAZ; Schäuble in der ‘B.Z.’)

ddp/abr/stu Ad-Hoc-News.de – 24.06.2008 17:04 Artikel-URL: www.ad-hoc-news.de/Politik-News/17876849