Deutsch-französische Zusammenarbeit in der Integrationspolitik

Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Hakki Keskin, Dr. Diether Dehm, Alexander Ulrich, Petra Pau, Jan Korte und der Fraktion DIE LINKE.

Drucksache 16/7631

Seit geraumer Zeit erfolgt zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich eine rege Kooperation im Bereich der Migrations- und Integrationspolitik. Dementsprechend wurde anlässlich des 6. deutsch-französischen Ministerrats im März 2006 die bilaterale Initiative ‘Integration und Chancengleichheit’ gestartet. Ziel der Initiative soll ein offener Erfahrungsaustausch sein, um insbesondere die Integrationssituation jugendlicher und sozial benachteiligter Migrantinnen und Migranten zu verbessern. Deutschland und Frankreich werden als bevölkerungsreichste Mitgliedsländer der Europäischen Union allgemein als Motor des europäischen Integrationsprozesses wahrgenommen. Darüber hinaus hat es in den letzten Jahren in beiden Ländern analoge Entwicklungen in der Migrations- und Integrationspolitik gegeben: die ‘zivile Integration’ wurde zunehmend einer sanktionsbehafteten, gesetzlichen Konditio- nierung unterworfen und die legale Einwanderung soll fortan stärker anhand ökonomischer Nützlichkeitskriterien gesteuert werden, wie dies in beiden Län- dern die Debatten um die Förderung des Zuzugs von Höchstqualifizierten zeigen.

Übereinstimmung zwischen beiden Ländern besteht augenscheinlich auch dahingehend, die Einreise von Flüchtlingen deutlich zu erschweren, indem Forderungen nach einer stärkeren Sicherung der EU-Außengrenzen erhoben werden. Bei der Zusammenkunft des deutsch-französischen Ministerrats am 12. November 2007 bildete Integration das Schwerpunktthema. Bereits im Vor- feld des Ministerrats hat die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, bei ihrem Treffen am 23. Oktober 2007 mit Frankreichs Minister für Einwanderung, Integration, nationale Identität und Ko-Entwicklung, Brice Hortefeux, betont, dass beide Länder beim Thema Integration eine ‘Vorreiter- rolle’ in Europa übernehmen wollen. Deshalb bestärkt die intensivierte, deutsch-französische Kooperation den Eindruck, dass Deutschland und Frank- reich beabsichtigen, ihre nationale Integrationspolitik künftig noch stärker anzugleichen und die Umsetzung der im EU-Reformvertrag vorgesehenen gemeinsamen Einwanderungs- und Asylpolitik auf EU-Ebene mit einem gemeinsamen Vorgehen richtungsweisend beeinflussen wollen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie schätzt die Bundesregierung die gemeinsame deutsch-französische Initiative ‘Integration und Chancengleichheit’ und deren Konsequenzen für die integrationspolitische Umsetzung in beiden Ländern ein?

2. Welche konkreten Projekte sind aus dieser Initiative bereits entstanden, und anhand welcher Kriterien werden diese evaluiert (bitte einzeln auflisten)?

3. Welche Zwischenbilanz zieht die Bundesregierung bei den einzelnen Projekten der Initiative (bitte einzeln auflisten)?

4. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der deutsch- französischen Zusammenarbeit für die Migrations- und Integrationspolitik der EU, und welche konkreten Initiativen wird sie diesbezüglich auf EU- Ebene vorschlagen?

5. Beabsichtigt die Bundesregierung im Bereich der Migrations- und Integrationspolitik auf EU-Ebene sich im Vorfeld künftig enger mit Frankreich ab- zustimmen, und falls ja, welche konkreten Bereiche würde dies betreffen?

6. Inwieweit sind die in Deutschland und Frankreich geschaffenen, gesetzlichen Neuregelungen zum Familiennachzug und zur Durchführung von ob- ligatorischen Sprachtests in den Herkunftsländern bereits Ausdruck einer intensiveren Zusammenarbeit beider Länder?

7. In welchen Bereichen der Migrations-, Asyl- und Integrationspolitik (bspw. Staatsbürgerschaft, Umgang mit Legalisierung von Menschen ohne Auf- enthaltstitel) erkennt die Bundesregierung Unterschiede in der politischen Praxis zwischen Deutschland und Frankreich?

8. Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass trotz überwiegend guter Französischkenntnisse von Migrantinnen und Migranten in Frankreich zum Teil erhebliche und ähnliche Integrationsdefizite bestehen wie in Deutschland, und welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung hieraus für die Bedeutung des Erwerbs von Deutschkenntnissen in ihrer eigenen, integrationspolitischen Konzeption?

9. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung aus dem deutsch-französi-schen Erfahrungsaustausch bezüglich der gleichstellungspolitischen Situa- tion von Menschen mit Migrationshintergrund bei der einbürgerungs- und aufenthaltsrechtlichen Stellung, der Arbeitsmarktintegration und den Bil- dungschancen in beiden Ländern gewonnen?

10. Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung hieraus für ihre eigene Gleichstellungspolitik gegenüber Migrantinnen und Migranten im bundes- deutschen Aufenthalts- und Einbürgerungsrecht, bei der Arbeitsmarktintegration und im öffentlichen Dienst sowie bei den Bildungschancen gezogen?

11. Zu welchen Erkenntnissen gelangte die Bundesregierung bei der deutsch- französischen Initiative bezüglich der Geschlechtergerechtigkeit unter der Migrantenbevölkerung in beiden Ländern?

12. Wurden konkrete Ergebnisse der deutsch-französischen Initiative bei der Erarbeitung des Nationalen Integrationsplans durch die Bundesregierung berücksichtigt, und falls ja, in welcher Weise und in welchen Bereichen ge- schah dies?

13. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung aus der deutsch-französischen Initiative hinsichtlich der Bedeutung einer integrativen Stadtentwicklungsförderung gewonnen, und welche eigenen integrationspolitischen Konsequenzen zieht sie hieraus?

Berlin, den 14. Dezember 2007 Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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