Rede im Europarat zum Thema 'Europas soziale Dimension'
Sehr geehrte Damen und Herren,
gestern haben wir sowohl vom Bundeskanzler Österreichs als auch vom Präsidenten des Europäischen Parlamentes in diesem Saal viel Lob über den neuen EU-Vertrag gehört. Der EU- Gipfel in der vergangenen Woche wurde notwendig, weil zuvor der Verfassungsvertrag in Frankreich und den Niederlanden per Volksentscheid abgelehnt wurde. Die Franzosen und Niederländer sahen vor allem ihre sozialen Rechte und Interessen in der Verfassung nicht genügend berücksichtigt.
Dementsprechend wäre es Aufgabe des Gipfels gewesen, dieses Bedürfnis der Bürgerinnen und Bürger nach einem sozialen Europa ernst zu nehmen. Doch die Bilanz des EU-Gipfels ist in dieser Hinsicht mehr als ernüchternd.
Die ‘Menschenrechts-Charta’ und hierbei die ‘Sozial-Charta’ bei dem Vertrag der EU-Staaten hätte also eine besondere Bedeutung für Europa gehabt. Das erzielte Ergebnis bleibt weit hinter dem des EU-Verfassungsvertrages zurück. Auch die Verbindlichkeit der Sozial-Charta wird sehr unterschiedlich bewertet.
Die neoliberale Orientierung in Europa wurde auf dem Gipfel weiter gestärkt.
Europa unterscheidet sich im ganz Wesentlichen von anderen Kontinenten, auch von Nordamerika, vor allem dadurch, dass hier der Sozialstaat, die sozialen Sicherungssysteme, die Rechte der Gewerkschaften, Schutz der Armen und Benachteiligten und die Idee der sozialen Gerechtigkeit historische Errungenschaften sind.
Breite Teile der Bevölkerung in vielen europäischen Staaten haben sich diese Werte unbeirrbar zu Eigen gemacht. Sie gehören im Wertekatalog Europas zu den wichtigsten zivilisatorischen Errungenschaften. Diese sind nicht geschenkt worden, sie wurden im Laufe der Jahrhunderte insbesondere in Europa erkämpft.
Mit Bedauern stellen wir jedoch fest, dass der Neo-Liberalismus, das heißt die Schicksale der Menschen dem so genannten freien Markt zu überlassen, alles andere dominiert.
Liberalisierung und Privatisierung führen jedoch sehr oft zur Monopolbildung und somit zur Beherrschung der Märkte durch wenige transnationale Konzerne.
Der viel beschworene Wettbewerb und die so genannte freie Marktwirtschaft bleiben auf dem Papier. In Deutschland beispielsweise werden mehr als 90 Prozent des Stroms von nur vier Konzernen beherrscht. Im Bereich Gas und Erdöl kann eine ähnliche Entwicklung beobachtet werden. Von der Privatisierung sollten die Bürger profitieren, so wurde diese Liberalisierung verkauft. Das was wir aber erleben ist gerade das Gegenteil: Die Energiepreise sind in den letzten Jahren extrem gestiegen.
Die Linke will ein Europa, in dem die soziale Gerechtigkeit, der Schutz der Benachteiligten und Armen, der Sozialstaat und die sozialen Sicherungssysteme als Rechte der Bürger im Wertekatalog Europas angehören.
Verhinderung von Lohn- und Sozialdumping zwischen den Ländern und Regionen Europas und gleiche Rechte für eingewanderte Migranten müssen in Europa selbstverständlich werden.
Die europäische Linke will nicht nur den Frieden in Europa, sondern überall in der Welt, ohne militärische Interventionen.
Sie will eine Harmonisierung von wirtschaftlicher Entwicklung und Naturschutz.
Die Linke will ein Europa, in dem die Menschen ohne Angst vor ihrer Zukunft leben können.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!