Sarkozy errichtet für die Türkei weitere Barriere auf dem Weg in die EU
Gestern wurde in der französischen Nationalversammlung und im Senat ein Reformpaket zur Änderung der Verfassung mit sehr knapper Mehrheit angenommen. Durch diese Verfassungsreform wird nahezu jeder zweite Artikel der französischen Konstitution geändert. Der französische Staatspräsident Sarkozy schaffte es nur mit Mühe und Not, die erforderliche 3/5 Mehrheit zu erreichen, die für Verfassungsänderungen notwendig ist. Sarkozys lange vorbereitetes Reformprojekt enthält eine besonders brisante Verfassungsänderung, die die Zukunft der EU betrifft. So wird in Frankreich über künftige EU-Beitritte per Referendum abgestimmt. Doch was auf den ersten Blick so grundsätzlich klingt, gilt ganz und gar nicht grundsätzlich. Alles andere würde ja auch überraschen, betrachtet man die EU-Politik Frankreichs der letzten Jahre.
Der Teufel steckt mal wieder im Detail: Volksabstimmungen soll es nur bei den Ländern geben, mit denen die EU erst seit Juli 2004 Beitrittsverhandlungen führt. Dies bedeutet, dass im Falle der Türkei ein Referendum ansteht. Der Beitritt anderer Länder kann aber dennoch ohne Referendum ermöglicht werden: wenn 3/5 der beiden Kammern des Parlaments gegen ein Referendum stimmen, entscheidet wiederum der Staatspräsident, ob über die jeweilige Erweiterung das französische Parlament abstimmt oder ein Referendum durchgeführt wird.
Liest man also die Bestimmungen zum französischen Erweiterungs-Referendum genauer, wird deutlich, dass Frankreich mit dieser Regelung einen EU-Beitritt der Türkei verhindern will, während für andere – Frankreich genehme – Beitrittsländer eine Hintertür offen gehalten werden soll. Da fragt man sich doch, warum Frankreich in bestimmten Fällen der Stimme des Volkes vertraut und in anderen nicht?
Denn wir erleben auch in diesen Tagen, wie Sarkozy Schwierigkeiten hat, das irische Nein infolge einer Volksabstimmung zum EU-Reformvertrag zu akzeptieren und Irland drängt, dieses ‘Problem’ zu lösen. Frankreichs widersprüchliche Haltung zu Volksabstimmungen wird auch hier sehr deutlich. Eines ist jedenfalls klar: Mit dieser Politik nach zweierlei Maß schadet Frankreich der Glaubwürdigkeit der Europäischen Union! Die Fraktion Die LINKE. fordert eine EU-Erweiterungspolitik, die auf gleichen und fairen Beitrittsverhandlungen auf Basis der Kopenhagener Kriterien beruht. Nur so erzielt man eine offene und glaubwürdige EU-Erweiterungspolitik und verhindert einen europäischen Club der Christen unter französischem Vorsitz.
Hakkı Keskin