Niederlande

Lehren aus den Ereignissen in den Niederlanden

Die Ermordung des Filmemachers Theo van Gogh durch einen aus Marokko stammenden Mann hat in Niederlanden zu bis dahin ungekannten Gewaltsze-nen geführt. Es kam zu Anschlägen auf Moscheen, islamische Schulen und Kirchen. Es ist dringend geboten, Lehren aus dieser unerwarteten Entwicklung auch für Deutschland zu ziehen.

Die ewigen Gegner nicht nur einer multikulturellen Gesellschaft hier in Deutschland führen diese Ereignisse als Beispiel für das Scheitern der ‘Schwärmer von der Utopie der Kulturellen Vielfalt’ an. Wie schnell wird ver-gessen, was wir Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre in Deutschland er-lebt haben, mit unvorstellbaren Gewalttaten in Hoyerswerda, in Mölln, Solin-gen, in Lübeck und in Hunderten anderer Orte mit Dutzenden Morden und Brandanschlägen gegen Nichtdeutsche. Es ist daher völlig falsch, von einem Scheitern der Konzeption oder der Idee einer Gesellschaft der kulturellen Viel-falt zu sprechen. Vielmehr müssen die Fehler hier wie dort genauestens analy-siert und diskutiert werden.

Die Niederlande sind in der Tat als ein gegenüber ihren kulturellen Minderhei-ten tolerantes Land bekannt. Doch die Bejahung der kulturellen Vielfalt bedeu-tet nicht, dass die Angehörigen unterschiedlicher Kulturen und Religionen ne-beneinander friedlich leben können. Multikulturalität setzt vielmehr voraus, dass es zu einem gewollten Austausch, zum gegenseitigen Kennenlernen, zum Dialog und zu beidseitiger Bereicherung zwischen diesen Kulturen und Religionen kommt. Ziel muss dabei sein, ein Leben des ‘Miteinander’ zu gestalten und zu ermöglichen und sich nicht von der Ignoranz des Nachbarn und mancher Mitmenschen von diesem Weg abbringen zu lassen. Es genügt also nicht, das Nebeneinander unterschiedlicher Kultur- und Lebensformen zu tolerieren, man muss dieses Nebeneinander in eine Gesellschaft des ‘Mitein-ander in kultureller Vielfalt’ überführen. Dies ist die wichtigste Lehre aus den Ereignissen in den Niederlanden.

Der größte Fehler der Niederländer bestand darin, zahlreiche Vereine, die sich als Religionsgruppen definieren, vom Staat finanzierte Kindergärten, Schulen, ja sogar Hochschulen eröffnen und führen zu lassen. Es ist nicht verantwort-bar, dass den zahlreichen extremen und fundamentalistisch orientierten Religi-onsgruppen, deren Hauptziel die politisch-religiöse Indoktrination von Kindern und jungen Menschen ist, mit einer solch bedeutenden Aufgabe zu betrauen. Dieser ‘politische Islam’ macht aus einer toleranten und friedlichen Religion einen auf falsche Auslegungen und Dogmen reduzierten Islam und schadet damit dem Islam und den Angehörigen dieser Religion.

In Deutschland darf dieser Fehler auf keinen Fall wiederholt werden. Keinem religiösen Verein, der Vertreter einer islamischen Religionsgemeinschaft zu sein vorgibt, darf erlaubt sein, eigene Kindergärten, Schulen oder Hochschulen zu unterhalten oder in den Schulen Religionsunterricht zu erteilen. Diesbezüg-liche Fehler in Berlin müssen korrigiert werden, bevor es zu spät ist. Für die Menschen aus der Türkei gibt es eine religiöse Instanz. Diese ist die ‘Tür-kisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.’ (DITIB).

Prof. Dr. Hakkı Keskin (Bundesvorsitzender)