Die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts darf keine Verschlechterung mit sich bringen!
Die Zielsetzung des vorgelegten Gesetzentwurfs der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 16.03.1999 lautet: ‘Verbesserung der Integration der dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer und ihrer hier geborenen Kinder durch Erleichterung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit.’
In der Tat: diese Reform darf in keinem Punkt eine Verschlechterung oder Erschwernis der Einbürgerungskriterien beinhalten, sondern sie muß erkennbare Erleichterungen mit sich bringen. Vor allem für Millionen Menschen der ersten Ausländergeneration bringt der Ent-wurf in ganz zentralen Punkten Verschlechterung und ungleiche Behandlungen:
1. Neuerdings sollen auch ‘ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache’ verlangt werden, was kein objektivierbares Kriterium darstellt und für Einwanderer der ersten Ge-neration oft nicht zu erfüllen ist. Nach geltender Praxis reichen einfache Deutschkennt-nisse als eines der Einbürgerungskriterien aus. In dem ersten Entwurf vom Bundesminis-ter des Inneren, Otto Schily, war hierfür ‘Eine Verständigung mit dem Einbürgerungser-werb in deutscher Sprache’ vorgesehen, was der geltenden Praxis entsprach. Wir plä-dieren daher für die Beibehaltung dieser Formulierung.
2. Die Bundesregierung wollte die generelle Hinname der doppelten Staatsbürgerschaft akzeptieren. Jetzt will sie sogar eine bisher bestehende Möglichkeit im § 25/a, nach Maßgabe dessen die alte, also die aufgegebene Staatsbürgerschaft, nachträglich erneut erworben werden konnte, beseitigen. Diese selbst von der Kohlregierung nicht angetas-tete Möglichkeit zu verhindern, würde der Intention und Glaubwürdigkeit dieser Regie-rung gänzlich widersprechen.
3. § 87 (2) sieht die Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit für Ausländer mit längerem Aufenthalt vor, wenn der Ausländer ‘die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedsstaates der Europäischen Union besitzt und Gegenseitigkeit besteht.’ Hier wer-den ganz offensichtlich vor allem Türken benachteiligt. Dieser Paragraph ist weder recht-lich, noch moralisch und noch weniger gesellschaftspolitisch vertretbar. Daher muß die-ses Recht für alle Antragsteller gelten, wenn Gegenseitigkeit gegeben ist.
4. Der Entwurf will die Gebühren von DM 100,- auf DM 500,- für Erwachsene erhöhen. Die Notwendigkeit hierfür sehen wir nicht.
5. Die Einführung des Territorialprinzips, selbst wenn dies bis zum 23. Lebensjahr gelten soll, ist auch für uns eine wichtige Erneuerung und Verbesserung. Dieses Recht jedoch rückwirkend bis zum 10. Lebensjahr einzuengen, ist völlig willkürlich und nicht nachvoll-ziehbar. Im Interesse der Zielsetzung dieses Gesetzesentwurfes müßte diese Möglich-keit mindestens bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gelten.
Prof. Dr. Hakký Keskin