Standpunkt der TGD zur Religiösen Unterweisung türkischer Kinder in Deutschland

Die Religions- und Glaubensfreiheit ist ein universelles Menschenrecht. Artikel 4 Grundgesetz gewährleistet die Religionsfreiheit, Artikel 7 GG (ausgenommen die Sonderregelung des Artikel 141 GG) bestimmt, daß Religionsunterricht an öffentlichen Schulen in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechts als ordentliches - freiwilliges - Lehr-fach anzubieten ist.

Diese im Grundgesetz aufgeführten Rechte gelten für alle Menschen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit.

In der Bundesrepublik Deutschland leben über drei Millionen Menschen islamischen Glaubens, rund 2,3 Millionen stammen aus der Türkei. Die islamische Unterweisung ihrer Kinder an den Schulen wird in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich gehandhabt, aber keine entspricht den Anforderungen einer zeitgemäßen religiösen Unterweisung. Deshalb sehen sich viele Eltern gezwungen, ihre Kinder in Kurse mit zweifelhaften Trägern und Inhalten zu schicken, um eine religiöse Unterweisung ihrer Kinder zu gewährleisten. Andererseits bemühen sich die Religion für politische Zwe-cke instrumentalisierenden Organisationen mit zweifelhaftem Demokratieverständnis, als Träger von Religionsunterricht anerkannt zu werden. Die Landeskultusminister in ihrem Bemühen, von der Struktur des Christentums ausgehend einen ‘Ansprechpartner’ zu finden, ermutigen diese Organisationen. Die gläubigen Muslime in der Bundesrepublik Deutschland verlangen, daß ihren Kin-dern, wie es bei christlichen Kindern der Fall ist, innerhalb der Schule eine zeitgemäße religiöse Erziehung angeboten wird, Die Türkische Gemeinde in Deutschland verlangt von den Länderkultusministern dieses seit Jahren verschleppte Problem in kürzestes Zeit einer stetigen Lösung zuführen. Zur Verwirklichung dieses Vorhabens muß als erster Schritt die Kulturministerkonferenz einen Rahmenbeschluß fassen, den dann die Länder umsetzen müssen. Die tgd fordert eine zeitgemäße islamische Unterweisung in folgendem Rahmen:

1. In den Bundesländern ist als ordentliches Wahlfach ‘Islamische Religionskundliche Unterweisung’ anzubieten.

2. Dieses Fach muß originär für in der Bundesrepublik lebende Schülerinnen und Schüler entwickelt werden.

3. Da der Islam keine kirchenähnliche Organisationsstruktur kennt, muß davon abgegangen werden, solch einen ‘Ansprechpartner’ zu suchen bzw. künstlich zu erzeugen. Gegebenenfalls ist Artikel 7 (2) GG, das von den Strukturen des Christentums ausgeht, entsprechend ergänzt werden.

4. Anstelle des ebenfalls aus der Entwicklungsgeschichte des Christentums ent-standenen konfessionsgebundenen Religionsunterrichts ist eine dem Wesen des Islam entsprechende, die wichtigsten Strömungen im Islam berücksichtigende ‘Islamische Religionskundliche Unterweisung’ anzubieten.

5. Die ‘Islamische Religionskundliche Unterweisung’ soll die Entstehung und Entwicklung des Islam, die wichtigsten Strömungen, Interpretationen und die Anforderungen des Islam ausgehend aus den Gegebenheiten der Bundesrepublik Deutschland im Einklang mit den Grundwerten eines demokratischen Rechtsstates vermitteln.

6. Zu Erarbeiten der Curricula sind bundesweit oder in den einzelnen Bundesländern Kommissionen einzusetzen. Diese sollen sich aus Religionsexperten und Wissenschaftlern aus der Bundesrepublik und dem Ausland mit einer säkularen zeitgemäßen Einstellung zusammensetzen. Die notwendigen Beschlüsse und Entscheidungen müssen von einer Kommission, die sich aus Vertretern der Kultusverwaltung, der gesellschaftlichen Organisationen und der Wissenschaft gebildet wird, gefällt werden. Die Lehr- und Lernmaterialien sind entsprechend her-zustellen.

7. Die ‘Islamische Religionskundliche Unterweisung’ muß von Lehrkräften mit islamischer kultureller Sozialisation, die von den Kultusbehörden einzustellen sind, erteilt werden. Hierbei ist dreistufig zu verfahren:

a) Die zur Zeit im Dienst der Kultusbehörden befindlichen Lehrkräfte sind gegebenenfalls nach einer Fortbildung einzusetzen.

b) Bei Bedarf können Lehrkräfte aus dem Ausland geholt werden, diese müssen a-ber perspektifisch in der Bundesrepublik Deutschland leben.

c) Die bundesdeutschen Universitäten müssen Lehrkräfte für die ‘ Islamische Religionskundliche Unterweisung’ ausbilden.

8. Die Frage, ob dieser Unterricht in deutscher oder türkischer Sprache erteilt werden soll, ist Gegenstand intensiver Diskussionen. Zwei unterschiedliche Auffassungen in dieser Frage werden wie folgt begründet:

a) Religion ist ein untrennbarer Bestandteil der Kultur, reflektiert Glauben und Emo-tionen. Die Sprache wiederum ist der Träger der Kultur. Zudem ist die Türkei das einzige Land, das obwohl die überwiegende Mehrheit ihrer Bewohner islamischen Glaubens sind, eine säkulare Staatsordnung hat. Deshalb erscheint es geboten, die ‘Islamische Religionskundliche Unterweisung’ auf Türkisch zu erteilen.

b) Alle monotheistischen Religionen haben sich auf Grundlage der Glaubensge-meinschaften und nicht auf nationaler Grundlage entwickelt. Deshalb erscheint es geboten, daß alle Kinder muslimischen Glaubens gemeinsam auf Deutsch unterrichtet werden. In welcher Sprache die ‘Islamische Religionskundliche Unterweisung’ erteilt wird, ist entsprechend den Gegebenheiten in dem jeweiligen Bundesland zu entschieden.

Eine in diesem Rahmen zu erteilende ‘Islamische Religionskundliche Unterweisung’ wird den Integrationsprozess in die bundesdeutsche Gesellschaft fördern. Einerseits wird dadurch einem Berechtigten Anliegen der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Muslime Rechnung getragen und ihre Zugehörigkeit zu dieser Gesellschaft dokumentiert, andererseits wird gewährleistet, daß der in der Schule anzubietende Islamunterricht frei von unzeitgemäßen und die Integration verhindernden Inhalten bestimmt ist.