Rede vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarates in Straßburg
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir debattieren heute über die Tätigkeit der ‘Internationalen Organisation für Migration’ (IOM).
Es ist unbestritten, dass im Zuge der wirtschaftlichen Liberalisierung und des intensivierten kulturellen Austauschs vormals trennende Grenzen heute durchlässiger geworden sind. Dies halte ich für erfreulich und überaus positiv.
Wenn wir jedoch über Migration reden, müssen wir uns stets fragen und auch fragen lassen: Worin bestehen die Ursachen, dass Menschen für längere Zeit oder für immer ihre ursprüngliche Heimat verlassen müssen?
In den seltensten Fällen geschieht dies freiwillig. Grenzüberschreitende Migration resultiert primär aus Flucht vor wirtschaftlicher Not, Umweltkatastrophen, Kriegen oder politischer Verfolgung. Dies sind die häufigsten Ursachen dafür, dass sich Millionen Menschen gezwungen sehen oder sogar gezwungen werden, ihr Herkunftsland zu verlassen!
Dabei tragen doch gerade die westlichen Industrienationen einen wesentlichen Teil der Verantwortung dafür, dass die genannten Probleme in den Entwicklungsländern in einem solchen Ausmaß bestehen, dass Millionen Menschen keinen anderen Ausweg als die Flucht sehen. Milde gesagt, unternimmt Europa zu wenig zur Beseitigung der Fluchtursachen. Genau dies müsste jedoch Priorität haben. Europa kann und muss im Rahmen von ziviler Entwicklungszusammenarbeit mehr leisten als bislang.
Meine Damen und Herren,
Die Migration und Flucht werden nicht selten unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet. Dies darf nicht unsere Sichtweise sein. Migranten und Flüchtlinge besitzen dieselben elementaren Menschenrechte wie alle anderen Menschen auch, die ihnen somit nicht vorenthalten werden dürfen. Der zivilisatorische Beitrag Europas für Demokratie und Menschenrechte steht somit auf dem Spiel, wenn sich die Staaten Europas immer stärker von den Flüchtlingen abschotten. Und wenn sich in den europäischen Gesellschaften Rassismus und Fremdenfeindlichkeit weiter ausbreiten!
Es ist daher sehr zu begrüßen, dass die vorliegende Empfehlung dem Ministerkomitee nahelegt, dass dringend Maßnahmen gegen Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit in Bezug auf Migranten ergriffen werden müssen. Die konsequente Ächtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit In Europa, wozu auch schärfere strafrechtliche Sanktionen gehören müssten, bleibt eine Herausforderung für alle demokratischen Kräfte, die viel Ausdauer verlangt!
Darüber hinaus müssen bessere Möglichkeiten der regulären Migration geschaffen und mit einer dauerhaften Aufenthaltsperspektive in den Aufnah- meländern verbunden werden. Hierzu gehören vor allem die Gewährung von politischen Partizipations- rechten und erleichterte Einbürgerungsbestimmungen, die europaweit harmonisiert werden müssen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
dies wären konkrete Maßnahmen, für eine humane Flüchtlingspolitik, die diesen Namen verdient. Die IOM würde damit unterstreichen, dass ihr Migrationsmanagement humanitären und sozialen Zielen dient. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!