Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft

POLITISCHE LÖSUNG IST GEFRAGT

Rund 50.000 Doppelstaatler türkischer Herkunft, möglicherweise weitere Tausende Aussied-ler, sind vom Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft betroffen. In einigen Bundesländern werden sie mit Schreiben der Innenbehörden dazu aufgerufen, sich selbst anzuzeigen, wenn sie nach 2000 neben der deutschen auch ihre alte Staatsangehörigkeit zurückerhalten ha-ben. Dabei verlieren sie teilweise sogar ihren alten, verfestigten Aufenthaltsstatus und wer-den so behandelt, als ob sie neu nach Deutschland eingereist wären.

Diese Menschen haben nach dem Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft in den Jahren 1997, 1998 und 1999 auch wieder ihre alte türkische Staatsangehörigkeit beantragt, diese jedoch erst nach dem 1.1.2000 zurückerhalten. Hinzu kommen auch diejenigen, die nach dem Erhalt der deutschen Staatsangehörigkeit nach dem Inkrafttreten des neuen Staatsbür-gerschaftsrechts am 01.01.2000 auf ihren eigenen Antrag ihre alte Staatsbürgerschaft wie-der zurückerhalten haben, womit sie nach §25 des neuen Staatsangehörigkeitsrechts die deutsche Staatsbürgerschaft automatisch verlieren.

Allerdings verlieren nach Auffassung der Behörden alle, auch diejenigen die deutsche Staatsbürgerschaft, die noch vor Inkrafttreten des neuen Staatsangehörigkeitsrechts die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten und den Rückerwerb der alten, für unsere Klientel also die türkische, Staatsangehörigkeit beantragt und erst nach 2000 erhalten haben. Nach Ge-sprächen mit sachkundigen Juristen können wir diese Rechtsauffassung nicht teilen. Diese Menschen haben im Vertrauen auf das damals geltende Staatsangehörigkeitsrecht die deut-sche Staatsbürgerschaft vor Inkrafttreten des neuen Rechts erhalten und zugleich die türki-sche Staatsbürgerschaft beantragt. Aus Gründen des Vertrauensschutzes und des grundgesetzlich garantierten Gleichbehand-lungsgrundsatzes dürfen diese die deutsche Staatsbürgerschaft nicht verlieren.

Selbstverständlich müsste diese Frage noch durch die Gerichtsbarkeit geklärt werden. Da dies jedoch möglicherweise Jahre dauern wird, suchen wir nach praktikablen politischen Lösungen. Die Türkische Gemeinde in Deutschland wird täglich mit Hunderten Telefonaten und E-Mails von Betroffenen angesprochen, die wissen wollen, was sie tun sollen. Wir können Ihnen un-ter diesen Umständen nicht empfehlen, sich bei den Behörden zu melden. Die vom Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft Betroffenen verlieren nach dem neuen Zuwanderungsge-setz auch ihren alten verfestigten Aufenthaltsstatus und werden so behandelt, als ob sie neu nach Deutschland eingereist wären. Dies empfinden wir als himmelschreiende Ungerechtig-keit. §38 AufentG differenziert zwischen neuen und alten Staatsbürgern, was nach unserer Rechtsauffassung einer richterlichen Prüfung in keinem Fall standhalten wird. Deswegen bedarf die Klärung dieser Frage eines langen juristischen Wegs. Wir sind ent-schlossen, bis zum Europäischen Gerichtshof zu gehen, sollte keine vernünftige Lösung hierfür gefunden werden.

Jetzt ist die Politik aufgerufen, im Interesse der Betroffenen und zur Vermeidung eines ho-hen Verwaltungsaufwands, aber auch damit die bevorstehenden Wahlen unbeschadet erfol-gen können, eine rasche Lösung zu finden.

Da wir uns seit längerem intensiv mit dieser Frage befassen, möchten wir der Innenminis-terministerkonferenz, die Ende Juni tagen wird, folgende Lösung vorschlagen:

1. Die sauberste Lösung wäre durch die Ergänzung des §25 des deutschen Staatsan-gehörigkeitsgesetzes mit einer rückwirkenden Übergangsregelung wie folgt möglich: Die Staatsangehörigkeit verliert nicht, wer auf seinen Antrag eine andere Staatsangehörigkeit nach dem 1.1.2000 erworben hat und der zuständigen Stel-le bis zum 31.12.2005 die Entlassung aus der erworbenen Staatsangehörigkeit nachweist.

Wir haben uns Anfang Mai dieses Jahres in Ankara mit dem Innenminister der Repu-blik Türkei darüber verständigt und seine Zusicherung erhalten, dass in diesem Falle die Entlassung der antragstellenden Betroffenen aus der türkischen Staatsbürger-schaft zügig erfolgen wird.

Sollte dies nicht möglich sein: 2. § 38 AufentG müsste so geändert werden, dass alle ehemaligen Deutschen, die die deutsche Staatsbürgerschaft verlieren, ihren alten gesicherten Aufenthaltsstatus (d.h. eine ‘Niederlassungserlaubnis’) bekommen.

3. Für diesen Personenkreis ehemaliger Deutscher muss sichergestellt werden, dass diese Menschen ohne erneute Prüfung von Einbürgerungsformalien und Gebühren wieder eingebürgert werden.

4. Die bisher vorgesehene Meldefrist bis zum 30.06.2005 (wie z.B. in Hessen) oder bis zum 31.08.2005 in Berlin sollte bis Ende des Jahres verlängert werden.

Als Türkische Gemeinde in Deutschland werden wir intensiv dafür werben, dass alle Betrof-fenen diese Lösung akzeptieren und sich bei den Behörden zur Klärung ihres Rechtsstatus melden.