Zum Antrag "Die EU-Zentralasienstrategie mit Leben füllen"

- Antrag der Fraktion Bündnis90 / Die Grünen


Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

wie die Antragsteller begrüße ich die Initiativen der EU unter der deutschen Ratspräsidentschaft, die Beziehungen zu den fünf Staaten der zentralasiatischen Region zu intensivieren. Dies ist eine Chance zur Förderung von Frieden und Stabilität beizutragen.

Wir werden immer wieder daran erinnert, wie bedeutsam heute die Sicherung unserer Energieversorgung in Europa geworden ist. Die zentralasiatische Region spielt hierbei eine hervorragende Rolle. Allein dieser Sachverhalt macht uns zu Partnern und diese Partnerschaft sollten wir pflegen.

Ich möchte betonen, dass unsere Beziehungen sich keinesfalls auf wirtschaftliche Interessen reduzieren lassen dürfen und dass sie sich auf einem absolut partnerschaftlichen Niveau abzuspielen haben!

Frieden und Wohlstand, Sicherheit und Freiheit sollen nicht lediglich in Europa gelten, sondern überall in der Welt und auch in unseren Nachbarschaftsregionen. Dies war und ist der Grund für die Attraktivität der Europäischen Union und den enormen Fortschritt, der sich mit ihr verknüpft.

Die ökonomischen Beziehungen, welche die zentralasiatischen Staaten und die EU verbinden, sollten ebenso vertieft werden wie die politischen und kulturellen.

Es wird sich jedoch im Rahmen eines solchen, gut freundschaftlich geführten Dialogs nicht vermeiden lassen, auf gewisse Probleme zu sprechen zu kommen. Die Europäische Union und die Bundesrepublik Deutschland treten nach innen wie nach außen strikt für die Einhaltung der Menschenrechte ein. Vor diesem Hintergrund können und dürfen wir nicht die Augen verschließen vor der Lage der Menschenrechte in Zentralasien. Persönliche Freiheiten und die Pressefreiheit sind in diesen Ländern nach wie vor nicht ausreichend gesichert. Die Lage etwa in den usbekischen Gefängnissen ist inakzeptabel und eine Aufklärung der Ereignisse in Andischan ist erforderlich.

Staatliche Folter und Repression dürfen in keinem Staat der Welt Normalität sein. Diese ist unsere feste Überzeugung. Deshalb ist die Lage der Menschenrechte in Usbekistan eine, die wir als Die LINKE. und als Demokraten so nicht hinnehmen können und nicht hinnehmen wollen.

Ich durfte mir im Oktober des vergangenen Jahres im Rahmen einer Reise des Menschenrechtsausschusses nach Usbekistan selbst ein Bild von der dortigen Situation machen. Und in der Tat: Die Verhältnisse scheinen von unserer Warte der erlebten 50 Jahre in Frieden und Demokratie sehr bedenklich aus. Wenn wir mit den Ländern der Region einen Dialog auf gleicher Augenhöhe führen wollen, müssen wir jedoch zwei sehr entscheidende Aspekte beachten.

Egal ob Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan, Turkmenistan oder Tadschikistan: Es handelt sich um sehr junge Staaten, die allesamt in einer schwierigen ökonomischen und weltpolitischen Zeit, zu Beginn der 1990er Jahre, ihre Souveränität erlangten. Auch wenn uns viele Zustände besorgen: Das Erlernen demokratischen Miteinanders braucht Zeit und diese Zeit sollte man den Ländern Zentralasiens – bei aller Kritik – auch zugestehen.

Ein zweiter Punkt, den man von dieser deutschen und europäischen Warte nicht sehen will oder kann, ist die Angst der dortigen laizistischen Gesellschaften vor dem politischen Islam. Die Gefahr, die vom Islamismus ausgeht, hat in dieser Nachbarregion zu Afghanistan und Pakistan eine wesentlich andere Qualität. Der Islamismus ist in der Region eine reale Gefahr und keine bloß virtuelle, wie die Antragsteller unterstellen. Auch wenn wir mit den Maßnahmen, die gegen die Islamisten ergriffen werden, natürlich nicht immer einverstanden sein können, sollten wir bedenken, dass es gerade diese säkularen Staaten mit muslimischer Bevölkerung sind, die für uns als Partner immer wichtiger werden!

Bei allem Respekt voreinander und bei allen Bemühungen, keinem Staat und keinem Volk unsere Lebensweise auf zu zwingen, bin ich der festen Überzeugung, dass auch Usbekistan und die anderen Länder Zentralasiens von den Erfahrungen profitieren können, die wir in Europa in den letzten fünf Jahrzehnten gemacht haben. Diese Erfahrung lautet, dass Wohlstand und Freiheit immer nur gemeinsam zu haben sind. Unfreiheit und Unterdrückung sind nicht lediglich gesellschaftliche Missstände, sondern sie führen immer auch zu wirtschaftlicher Stagnation. Korruption und Armut sind ihre Folgen. Der Appell an die dortigen Regierungen, diesen Zusammenhang zu erkennen, ist, davon bin ich fest überzeugt, mindestens so wichtig wie die schnell in Bevormundung resultierenden Kontroll- und Sanktionsmechanismen, die Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, in Ihrem Antrag vorschlagen.

Vielen Dank, meine Damen und Herren!