Einbürgerungsparadoxie der Bundesregierung ist beschämend!

Die persönliche Verleihung von Einbürgerungsurkunden an 16 Neubürger hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dazu genutzt, um für mehr Einbürgerungen zu werben. Merkel wird in den Medien mit den Worten zitiert: 'Wir möchten sehr wohl, dass mehr Menschen diesen Schritt der Einbürgerung gehen'.

Diese Aussage ist vor dem Hintergrund der seit Jahren chronisch sinkenden Einbürgerungszahlen mehr als paradox. Es grenzt schon an Zynismus, wenn Merkel den Eindruck erweckt, als wären die Migrantinnen und Migranten zunehmend einbürgerungsunwilliger geworden. Das Gegenteil ist richtig: das Interesse, deutsche Staatsbürgerin oder deutscher Staatsbürger zu werden, ist ungebremst. Allerdings haben nicht zuletzt CDU/CSU in der Vergangenheit tatkräftig dafür gesorgt, dass die Einbürgerungskriterien massiv verschärft wurden, so dass weniger Menschen die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben konnten. Hierzu gehören zum Teil inhaltlich höchst fragwürdige Einbürgerungstests, eine ethno-kulturelle Diskriminierung von nachziehenden Ehegatten bei Eingewanderten aus muslimischen Herkunftsländern, die vor ihrer Einreise Deutschkenntnisse nachweisen müssen sowie das Verbot von mehrfachen Staatsbürgerschaften. Dadurch ist schon jetzt abzusehen, dass die Einbürgerungszahlen in Kürze auf unter 100.000 pro Jahr fallen werden.

Die Bundesrepublik braucht endlich ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht ohne Mehrstaatigkeitsverbot, wie dies innerhalb der EU gang und gäbe ist. Das deutsche Optionsmodell, bei dem sich die Einbürgerungswilligen zwingend für eine Staatsbürgerschaft entscheiden müssen, löst bei einem Großteil der Betroffenen massive Identitätskonflikte aus.

Meine Kritik an dem neuen Einbürgerungsrecht und den weiteren Verschärfungen hat sich in der Praxis voll bestätigt. Interessierten empfehle ich mein jüngst erschienenes Buch ‘Deutsch-türkische Perspektiven’ (Wochenschau-Verlag) zur Lektüre.

Wenn also Bundeskanzlerin Merkel die Einbürgerung tatsächlich fördern will, bräuchte sie nur die verschärften Kriterien zurückzunehmen und mehrere Staatsangehörigkeiten zuzulassen. Dann würden die Einbürgerungszahlen zweifellos wieder deutlich steigen.

Prof. Dr. Hakkı Keskin