Förderung von Frieden und Stabilität im Südkaukasus

Gemeinsame Anfrage von Dr. Dieter Dehm und Prof. Dr Hakkı Keskin

Die Kaukasusregion hat die Folgen des gesellschaftlichen Wandels nach dem Zerfall der UdSSR bis heute nicht verkraftet. Die Nachfolgestaaten der ehemaligen kaukasischen Sowjetrepubliken leiden unter innenpolitischer Instabilität, wirtschaftlicher Not und Verarmung breiter Bevölkerungsschichten, tiefen Nationalitätengegensätzen und zwischenstaatlichen Konflikten. Ein wesentliches Hindernis zur Stabilisierung der Kaukasusregion bildet der ungelöste Konflikt zwischen Armenien und Aserbai-dschan um das mehrheitlich von Armeniern bewohnte, zu Aserbaidschan gehörende, autonome Gebiet Berg-Karabach. Zwischen 1992 und 1994 führten beide Länder einen offenen Krieg, der mehr als 20 000 Todesopfer forderte und über eine Million Menschen zu Flüchtlingen machte.

Obwohl der Krieg seit 1994 ruht, konnte trotz mehrfacher Anläufe zu bilateralen Verhandlungen bislang keine Befrie-dung der Region erreicht werden. Der endgültige Status von Berg-Karabach ist nach wie vor umstrit-ten und Armenien zeigt bislang keine Bereitschaft, sich aus den von ihm okkupierten, Berg-Karabach umschließenden, aserbaidschanischen Gebieten zurückzuziehen. Aufgrund seiner geostrategischen Lage als angrenzender Nachbarschaftsraum besitzt die Europäische Union und für die Dauer der EU-Ratspräsidentschaft nicht zuletzt auch die Bundesrepublik die Aufga-be, zu einer friedlichen Konfliktbeilegung mit beizutragen.


Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie beurteilt die Bundesregierung die gegenwärtige politische Lage in der südkaukasischen Re-gion?

2. Welche strategische Bedeutung misst die Bundesregierung der Region Südkaukasus zu und wel-che Aufgaben ergeben sich daraus für das Handeln der Bundesregierung?

3. Wie beurteilt die Bundesregierung den gegenwärtigen Stand der bilateralen Beziehungen Deutschlands zur Republik Armenien?

4. Wie beurteilt die Bundesregierung den gegenwärtigen Stand der bilateralen Beziehungen Deutsch-lands zur Republik Aserbaidschan?

5. Wie beurteilt die Bundesregierung die außenpolitischen Beziehungen der EU zur Republik Arme-nien und erkennt die Bundesregierung Handlungsbedarf im Rahmen ihrer EU-Ratspräsidentschaft?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung die außenpolitischen Beziehungen der EU zur Republik Aser-baidschan und erkennt die Bundesregierung Handlungsbedarf im Rahmen ihrer EU-Ratspräsidentschaft?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung die Entwicklung der außenpolitischen Beziehungen der Repu-blik Armenien zu folgenden Staaten: a) Aserbaidschan? b) Georgien? c) Türkei? d) Iran? e) Russland? f) USA?

8. Wie wirkt sich nach Einschätzung der Bundesregierung die Weigerung der Republik Armenien, die bestehenden Grenzen zu seinen Nachbarn anzuerkennen, auf die außenpolitische Lage des Landes und die Stabilität der Region aus?

9. Welchen Einfluss kann die EU-Nachbarschaftspolitik auf eine Veränderung der Haltung der Re-publik Armenien im Hinblick auf die offenen Grenzfragen nehmen und welche Handlungsmög-lichkeiten sieht die Bundesregierung im Rahmen der EU-Ratpräsidentschaft zur Veränderung die-ser Situation beizutragen?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung die Entwicklung der außenpolitischen Beziehungen der Repu-blik Aserbaidschan zu folgenden Staaten: a) Armenien? b) Georgien? c) Türkei? d) Iran? e) Russland? f) USA?

11. Wie bewertet die Bundesregierung die innenpolitische Entwicklung der Republik Armenien seit Erlangung der staatlichen Unabhängigkeit?

12. Wie bewertet die Bundesregierung die innenpolitische Entwicklung der Republik Aserbaidschan seit Erlangung der staatlichen Unabhängigkeit?

13. Wie schätzt die Bundesregierung die gegenwärtige Situation im Konflikt um Berg-Karabach ein?

14. Wie viele Vertriebene auf beiden Seiten müssen nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit im-mer noch in Flüchtlingslagern leben und wie sind ihre Lebensbedingungen zu beurteilen?

15. Welche konkreten Initiativen gedenkt die Bundesregierung auch im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft zu ergreifen, um den Resolutionen Nr. 822 und 853 (beide aus dem Jahr 1993) des UN-Sicherheitsrates Geltung zu verschaffen, welche die Republik Armenien zum Rückzug aus den von ihr besetzten Territorien Aserbaidschans auffordern, damit die Flüchtlinge wieder in ihre Heimatorte zurückkehren können?

16. Wie hoch beziffert die Bundesregierung die Kosten für die Einrichtung und den Unterhalt von Flüchtlingslagern durch die Konfliktparteien?

17. Wie hoch beziffert die Bundesregierung den materiellen Gesamtschaden an der Infrastruktur, der durch den Krieg und seine Folgen beiden Konfliktparteien bislang entstanden ist (bitte getrennt nach Konfliktpartei auflisten): a) im Bereich der Verkehrswege, Flughäfen und anderer Logistikanlagen? b) im Bereich der Energieversorgung (Strom, Öl, Gas)? c) im Bereich der Wasserversorgung und Entwässerung? d) im Bereich öffentlicher Krankenhäuser und anderer medizinischer Betreuungseinrichtungen? e) im Bereich öffentlicher Bildungseinrichtungen (Schulen, Universitäten)? f) im Bereich öffentlicher Institutionen und Verwaltungseinrichtungen? g) im Bereich der Umwelt, insbesondere durch Kontaminierung von Gewässern, Flüssen und Wald-schäden, letztere beispielsweise durch Waffeneinwirkung ausgelöste Brände?

18. Welche Position bezieht die Bundesregierung zum künftigen Status von Berg-Karabach (bitte mit Begründung): a) Verbleib als autonomes Gebiet bei Aserbaidschan? b) teilweise oder vollständige Unabhängigkeit von Berg-Karabach nach dem Vorbild des Kosovo? c) Abtretung von Berg-Karabach an Armenien, bspw. im Gegenzug für Gebietsaustausche, die zur Herstellung einer gemeinsamen Landverbindung zwischen Aserbaidschan und der Exklave Na-chitschewan führen könnten? d) keine der genannten Möglichkeiten, sondern:?

19. Wie beurteilt vor diesem Hintergrund die Bundesregierung das durch die Karabacharmenier kürz-lich durchgeführte und angenommene Verfassungsreferendum für einen unabhängigen Staat Berg-Karabach?

20. Welche konkreten Initiativen hat die Bundesregierung bislang auf den bilateralen Ebenen der deutsch-armenischen und der deutsch-aserbaidschanischen Beziehungen ergriffen und wird sie künftig ergreifen, um eine friedliche Konfliktbeilegung zu fördern?

21. Mit welchen konkreten Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung die EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands zu nutzen, um Frieden und Stabilität in der Kaukasusregion zu fördern?

22. Welche konkreten Hilfestellungen werden in welchem Umfang von der EU im Rahmen des be-stehenden Partnerschafts- und Kooperationsabkommens gegenüber der Republik Armenien ge-währt (bitte sämtliche Förderprogramme einzeln und nach Verwendungszweck getrennt auflis-ten)?

23. Wie bilanziert die Bundesregierung die Ergebnisse des TACIS-Programms der EU, das der Re-publik Armenien Hilfe bei der Entwicklung einer marktwirtschaftlichen Ordnung gewähren soll?

24. Welche konkreten entwicklungspolitischen Förderprogramme werden in welchem Umfang von der EU gegenüber der Republik Aserbaidschan gewährt (bitte sämtliche Förderprogramme ein-zeln und nach Verwendungszweck getrennt ausweisen)?

25. Wie beurteilt die Bundesregierung den Erfolg dieser EU-Förderprogramme für Aserbaidschan?

26. Mit welchen Maßnahmen stellt die EU sicher, dass eine Zweckentfremdung ihrer zivilen Ent-wicklungsförderung durch die Konfliktparteien, bspw. zu militärischen Zwecken, ausgeschlossen ist?

27. Wie beurteilt die Bundesregierung den gegenwärtigen Stand der militärischen Rüstung in beiden Ländern: a) in Armenien? b) in Aserbaidschan?

28. Auf welcher Grundlage erfolgt die militärische und wehrtechnische Zusammenarbeit der Bundes-regierung mit den Streitkräften Armeniens und Aserbaidschans und welche Maßnahmen und Pro-jekte sind im Rahmen dieser Zusammenarbeit in den nächsten Jahren geplant?

29. Welchen Beitrag hat die Bundesregierung seit 1995 zur Ausstattung und Ausbildung der Streit-kräfte Armeniens und Aserbaidschans geleistet (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren und Maßnah-me)?

30. In welchem Umfang hat die Bundesregierung seit 1995 den Export von Rüstungsgütern der Aus-fuhrliste Teil 1 A an Armenien und Aserbaidschan genehmigt und welche Kriegswaffen der Kriegswaffenliste B wurden tatsächlich in diesem Zeitraum an diese Staaten geliefert (Bitte auf-geschlüsselt nach Jahren)?

Dr. Gregor Gysi Oskar Lafontaine und Fraktion


Zur Pressemitteilung ‘Frieden und Stabilität im Kaukasus fördern!’

Dateien:

antwort_eu_nachbarschaftspolitik_im_suedkaukasus.pdf