Die EU-Innenminister diskutierten auf ihrem gestrigen Treffen die humanitären Probleme ihrer Abschottungspolitik gegen Flüchtlinge. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex drängt in der Praxis Flüchtlinge auf hoher See mit militärpolizeilichen Mitteln von der Einreise in ein EU-Land ab.
Dennoch erreichten nach Angaben des UNHCR im Jahr 2008 ca. 67.000 Bootsflüchtlinge einen der EU-Mittelmeeranrainer. Das EU-Grenzregime ist ursächlich dafür verantwortlich, dass die Flüchtlinge lebensgefährliche Überfahrtrouten mit primitiven Booten wagen. Die Folgen sind jährlich zehntausende Ertrunkene oder völlig entkräftete Flüchtlinge, die in den EU-Aufnahmeländern oft in unhaltbaren Zuständen in Lagern interniert sind. Nach der sogenannten Dublin-Verordnung werden die Flüchtlinge in dasjenige EU-Land abgeschoben, in das sie zuerst eingereist sind.
Die von Bundesinnenminister Schäuble (CDU) geäußerte Kritik an der inhumanen Asylpraxis des EU-Mitglieds Griechenland ist somit scheinheilig. Schäuble geht es nicht um eine Humanisierung der EU-Flüchtlingspolitik, sondern darum, dass Griechenland seine Asylstandards anhebt, damit Deutschland die Asylsuchenden wieder dorthin abschieben kann. Das Bundesverfassungsgericht hatte erst kürzlich die Abschiebung eines irakischen Flüchtlings gestoppt, weil in Griechenland kein ordnungsgemäßes Asylverfahren zu erwarten sei.
Die EU-Innenministerkonferenz ist ein menschenrechtliches Armutszeugnis. Notwendig sind die unverzügliche Abschaffung des unmenschlichen Abschottungssystems, die Auflösung von Frontex und die Aufnahme der Flüchtlinge im Rahmen eines fairen EU-internen Lastenausgleichs inklusive einer menschenwürdigen Unterbringung. Ich fordere die Bundesregierung auf, ihre Blockadehaltung gegenüber Lockerungen im EU-Asylrecht aus menschenrechtlichen Gründen umgehend aufzugeben. Alles andere ist vor dem realen Hintergrund von nur ca. 22.000 Asylgesuchen pro Jahr in Deutschland völlig inakzeptabel. Anstelle Ängste vor einer angeblichen ungehemmten Flüchtlingswelle zu schüren, muss die Bundesregierung ihren Schutzauftrag laut Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes erfüllen. Dort heißt es ausdrücklich: ‘Die Würde des Menschen ist unantastbar’. Dies muss auch für Flüchtlinge gelten, die in besonderem Maße schutzbedürftig sind.
Prof. Dr. Hakkı Keskin