Wir unterstützen mit allem Nachdruck den Vorschlag vom Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, auch in Deutschland einen Gedenktag zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsazialismus einzuführen.
Zum fünfzigsten Mal jährt sich der Tag, an dem die Alliierten Deutschland vom Terror der Na-ziherrschaft befreiten und damit auch die wenigen Überlebenden aus den Konzentrationslagern. Dieses Ereignis ist dieser Tage Anlaß zu zahlreichen Feierlichkeiten, an denen der vielen Millio-nen Toten gedacht wird. In den Reden werden wir ermahnt, aus der Geschichte zu lernen und es nicht zuzulassen, daß sich derartiges je wiederholen kann.
Doch wer wird sich dieser Mahnungen noch erinnern, wenn wir Wochen und Monate später in den Alltagstrott zurückgekehrt sind? Wer wird den jungen Menschen in den nächsten Jahren sagen, daß man für Demokratie offensiv eintreten muß, wenn man sie erhalten will?
Wir brauchen einen deutschen ‘Yom Ha Shoah’, einen Tag gegen das Vergessen, an dem der grausamsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit gedacht wird, an dem man sich aber auch der Ursachen dieser Verbrechen erinnert: Es sind immer die Minderheiten in einer Gesell-schaft, auf die Menschen oder gar Staaten schauen, wenn sie einen Sündenbock für das eigene Versagen suchen. Egal, ob Juden, Ausländer, Schwule, Behinderte oder AIDS-Kranke: wer ver-sucht, sie für fehlende Wohnungen oder Arbeitsplätze, für weniger Geld im eigenen Portemon-naie oder im Staatssäckel verantwortlich zu machen, der leistet dem Totalitarismus Vorschub. Bundespräsident Roman Herzog hat es gestern in Bergen-Belsen so ausgedrückt: ‘Auch unsere Kinder müssen es lernen: Totalitarismus und Menschenverachtung bekämpft man nicht, wenn sie schon die Macht ergriffen haben. Man muß sie schon bekämpfen, wenn sie zum ersten Mal, und vielleicht noch ganz zaghaft, das Haupt erheben.’
Das Eintreten für Minderheiten, nicht nur in Festtagsreden sondern Tag für Tag, wann immer und wo immer Menschen andere verächtlich machen, das erfordert viel Zivilcourage, die immer wieder öffentlich eingefordert werden muß.
Dafür brauchen wir gerade in Deutschland einen Gedenktag ‘Wider das Vergessen!’
Prof.Dr. Hakký Keskin (Sprecher)